"Obsession", der vierte und bedauerlicherweise (vorerst) letzte Teil der Ausnahmeserie der erzproduktiven Kooperative Ed Brubaker & Sean Phillips hat jetzt seinen Weg auch in die deutschen Buchhandlungen geschafft, geboten wird ein fantastisch erzählter Kriminalroman in seiner dunkelsten Form.
Gewohnt düster, werden auch hier keinerlei Abstriche gemacht, diese Graphic Novel ist das visuelle Äquivalent zu einem formvollendeten hardboiled-Roman, aus der Feder der ganz Großen des Genres. Heimtückisch, finster, schonungslos, ohne Hoffnung.
Als Signaturen zu den einzelnen Stories wählte das Duo stets bildhafte Titel - (Feigling, Blutsbande, Grabgesang) und auch die aktuelle Veröffentlichung bricht nicht mit dieser Regel. "Obsession" versteht sich als Programm, bis zum Ende changiert der Plot zwischen Wahnhaftigkeit und eingetrübter Realität, der Protagonist, welcher im Rückblick über sein Leben berichtet, erscheint als unzuverlässiger Erzähler.
Glaubt man zunächst noch an eine beschönigende Schilderung seinerseits, wird im Verlauf des Comics sichtbar, dass die Vielzahl der Brüche und Unstimmigkeiten, andere Ursachen haben müssen. Man taucht ein in eine packende Halbwelt voller Gewalt, Sex und Trug, deren mitreissenden Sog man sich nur schwer erwehren kann.
Dieser graphische Roman bietet alles (und möglicherweise sogar mehr) was man von einem klassischen "Noir" erwartet: Spannung, Tempo, zerrissene Figuren, schwankende Ideale, taumelnde Helden, hier wird Scheitern zum Prinzip, das Moralische zum verzichtbaren Beiwerk, was bleibt ist die Nacht und deren Strassenschatten, in denen bereits die nächste Gefahr auf der Lauer liegt.
Mehr zu erzählen würde gegen jede Sittlichkeit dem Leser gegenüber verstossen, denn - wer kennt es nicht - Menschen, die einem (nahezu zwanghaft) den gesamten Plot bereits vorab erzählen müssen, entfernt man nur allzu gerne aus seinem Freundeskreis. Ich möchte euch die Freude des atemlosen Weiterblättern nicht nehmen, lest selbst.
Nur eins - Brubaker, der sich zu einem der stilbildenden Storyboarder seiner Zunft mausert lässt den Leser nicht aus seinen Fängen, eine mysteriöse, wunderschöne rothaarige Femme Fatale steht im Zentrum dieser psychologisch dicht erzählten Geschichte. Nur zögerlich lässt er die Gesamtheit der Informationen durchsickern, der Leser muss sich dem Tempo seines Erzählens anpassen, sich dem Willen dieses Ausnahmeautors beugen, dessen fabelhafte Schreibe durch die kongeniale Visualisierung seines Partners Sean Phillips zu einer überzeugenden Form verschmilzt, welche ihre absolute Eigenständigkeit in der aktuellen Bilderwelt des Comics behauptet und ausbaut.
Diese Reihe ist ein Markstein in der Geschichte der gezeichneten Krimis, jede weitere Veröffentlichung muss sich an diesen Glanzleistungen messen lassen. Pflichtlektüre!