Donnerstag, 30. Oktober 2014

Winterjules: Trademark "Gemütlichkeit" - Halloween bei Weissblech

Das allererstemal belästigten uns kleine Kinder zu Halloween im Jahre 2005. Klingt komisch. Ist aber so. Wir waren just zu dieser Zeit nach Ost-Berlin gezogen und das war damals anders als heute. Gerade Prenzlauer Berg hatte noch einen Schwaben-Anteil von unter 5 Prozent!

Wir kannten unsere Nachbarn noch nicht wirklich - sie uns auch nicht - jedenfalls beschlossen zwei kleine Jungs an unserer Tür zu klingeln und Süßigkeiten zu verlangen. Halloween! Ooops. Hatten wir nicht auf dem Schirm. [Bin zwar im schwer kapitalistischen Köln aufgewachsen, aber damals gingen wir als St.Martins-Singer von Geschäft zu Geschäft. Ähnlich, aber nicht das gleiche.]

Auf den 31.10. waren wir einfach nicht vorbereitet. Keine Süßigkeiten? Keine Süßigkeiten. Tat uns ja leid - ehrlich! Wobei … wir hätten da noch ein paar Reiswaffeln und Hipp-Fläschchen unserer kleinen Tochter anzubieten! [Frostiges Schweigen.] Möhrchen? [Temperatur sank unter den Gefrierpunkt.]

Herrje, es tat uns ja leid- es tat mir ja leid - aber wir waren gerade umgezogen - mit vielen guten Vorsätzen bezüglich Neustart und weniger Süßzeug.

Das einzige was noch als Genußmittel im Haus war, waren noch 3 Dutzend Packungen Kaffeepads, die ich auch noch entsorgen müsste, ich trinke damals wie heute etwa 2 Liter Kaffee am Tag, was ja zugegebenermaßen ein büssken viel ist - [Tüte wurde wortlos entgegen gestreckt] IHR NEHMT KAFFEPADS? Na gut, na gut, wer wäre ich denn mit einem, Star-Trooper und einem "was-bist-du-denn" zu streiten. [Ein (1!) Dutzend Kafeepads wanderten in die Tüte. Jungvolk zog wortlos weiter. Es schien hauptsächlich um's Prinzip zu gehen, IRGENDWAS in diese Tüte zu bekommen. Ich bezweifele, das unsere direkten Nachbarn da kooperativer waren.]

So gute zwei Stunden später klingelt es nochmal. Ich öffne die Tür und - nichts. Niemand zu sehen. Kein Star-Trooper. Kein "Was-bist-du-denn". ABER ein kleines Häufchen BonBons lag auf unserer Türmatte. Wie süß. Eine milde Gabe für die Armen, die nur Kaffee aber keinen Zucker besitzen.

Ich war schwer gerührt. Aber irgendwie hatte damals keiner von uns das Prinzip "Halloween" so richtig kapiert.

Das war aber kein Ost-Berliner Problem - das trat seinerzeit im West-Ruhrpott genauso auf! Mein Schwiegervater hatte in dem Jahr zum ersten Mal von den Medien angestachelt große Vorräte angelegt: Schoko in Kürbisform, Schoko in Totenkopfform, Lakritze in Fledermausform, Vampire/Hexen/Zombies in Weingummiform. Der Mann hatte eingekauft!

Und dann klingelte KEIN EINZIGES KIND an seinem Haus! Kunststück. Dieses Haus stand in einer Ein-Familien-Häuser Schlafstadt, deren Kinder alle schon vor 20 Jahren groß geworden und weggezogen waren. Da war einfach, wie soll ich sagen, die Zielgruppe nicht mehr präsent.

Heute, fast zehn Jahre später, würde ich diese Situation natürlich souveräner handhaben. Meine Kinder wissen wo man an Halloween Süßigkeiten abgreift [Einmal die Schönhauser Allee hoch und runter] und falls böse Kinder zu uns kämen und Süßigkeiten verlangen würden, wären unsere Blagen bereit ihre Vorräte bis auf's Blut zu verteidigen.

Weissblech Magazin # 1:
HALLOWEEN HORROR

52 Seiten, DIN A4, SW mit Farbcover
7,80 Euro
Wir haben Halloween wirklich gut im Griff jetzt! Und der Grusel? Nun, da kann man immer wieder auf feinste deutsche Trash-Horror-Comics zurückgreifen: Es ist dieses Jahr auch wieder eine schöne Geschichte mit echten Eigenheim-Spießbürger-Garten-Fetischisten [Hallo Schwiegerpapa!] dabei wie auch etwas feines über die Inquisation und etwas gruseliges über Dorfbevölkerung damals wie heute.

Es hat eben diesen gewissen Flair, den man nicht importieren kann. Es aber authentisch macht. Genauso wenig wie man das Wort "Gemütlichkeit" anständig in's Englische übersetzen kann, genausowenig kann man dieses Gefühl richtig erklären.

Ein sowohl intellektuell, wie auch künstlerisch sehr ansprechender Wurf! Für Schisshasen aller Orientierungen geeignet!

Mit freundlichen Grüßen,
Jules