Comics & Literatur (1v3)
Leider wurden in letzten Jahre mehrere Comicadaptionen von literarischen
Texten veröffentlicht, die formell nicht das gesamte Potential der
Gattung nutzten. Oftmals handelt es sich hierbei nur um äußerst werknahe
Illustrationen des vorliegenden Textes, die zumindest von mir als
unbefriedigend erlebt wurden, aber glücklicherweise ändert sich dieses
Vorgehen bereits. Der heute vorgestellte Text ist hierfür ein sehr
eindrucksvolles Beispiel, da er als augenzwinkernde biografische Fiktion
agiert.
Nicht jeder Leser wird sofort mit dem Namen Arthur Rimbaud etwas anfangen können, daher möchte ich eine kurze Einführung voranstellen. Trotz seines nicht wirklich umfangreichen schriftstellerischen Werkes gilt der französische Lyriker als prägende Kraft des Expressionismus & des Surrealismus gleichermaßen und wurde aufgrund der unbestrittenen sprachlichen Wucht & seiner stilbildenden assoziativen Dichtungen weltbekannt.
Nicht jeder Leser wird sofort mit dem Namen Arthur Rimbaud etwas anfangen können, daher möchte ich eine kurze Einführung voranstellen. Trotz seines nicht wirklich umfangreichen schriftstellerischen Werkes gilt der französische Lyriker als prägende Kraft des Expressionismus & des Surrealismus gleichermaßen und wurde aufgrund der unbestrittenen sprachlichen Wucht & seiner stilbildenden assoziativen Dichtungen weltbekannt.
Seine literarische Herangehensweise wurde später als der fundamentale
Erstimpuls der "écriture automatique" definiert. Aber abseits der
literarischen Arbeiten war Rimbaud ein offener Symphatisant der Pariser
Kommune und galt, jenseits dieses politischen Aktivismus, als
Abenteurer, Weltenbummler und bekennender Bonvivant. Er kann auf eine
bewegte Biographie voller Brüche zurückblicken.
Ihn verband eine unglückliche, schwierige Liebe mit seinem Dichterkollegen Paul Verlaine
und nach dem Bruch ihrer gemeinsamen Zuneigung und seiner Inhaftierung
während der Niederschlagung der Pariser Kommune 1871 floh Rimbaud aus
Frankreich. Er heuerte zunächst bei der holländischen Kolonialarmee an
& desertierte später aus ihr - was ihn zu einer gesuchten Peron
machte und ihm eine Rückkehr nach Europa verunmöglichte.
Auch mit der Literatur brach er - seine Aussage "Die Poesie ist nichts
als ein Schwindel" kann als Schlüsselformulierung seines weiteren Lebens
gelten. Der Lebensweg des "Königs der Dichter" endet im Jahre 1886 in
Abessinien. Hier agiert er als Waffenhändler - an dieser Stelle setzt auch
der Comic ein.
Dichter und Waffenhändler, Schöngeist und Lieferant von
Tötungswerkzeugen, dieser Widerspruch ist reizvoll, weil er
unergründlich bleibt. Ihn treibt keinerlei politischer Impuls an, er
versorgt keine Subalternen mit Waffen oder unterstützt antikoloniale
Aktivitäten - er liefert dem Meistbietenden.
Der auf literaturwissenschaftliche spezialisierte Verlag Matthes &
Seitz publizierte diesen formschönen Comic in Vorbereitung auf die
Veröffentlichung einer Edition der Briefkorrespondenzen Rimbauds, als
zusätzliche biographische Quelle. Leider wird dieser Titel somit der einzige Comic im Portfolio des Verlags bleiben.
Stilistisch lässt sich eine große Nähe zu dem Strich Hugo Pratts
benennen, wobei die schwarzweissen Zeichnung dieses Reiseberichts
deutlich häufiger dem Funny zuneigen und mit dem durchgängigen Realismus
eines Pratts brechen. Dieser hybride Charakter macht den Comic auch zu
etwas höchsteigenständigen, der zwischen der liebevollen Hommage und der
ironischen Persiflage changiert.
Ein Dichterfürst auf Abwegen. Dem Leser wird Rimbaud als der Perspektive des Korsen Jean-Roch Folelli geschildert.
Auch er ist ein ehemaliger Kommunarde, der nach dem Mord an einem Priester
ruhelos durch die afrikanischen Kolonien streift. Während dieser Odyssee
schliesst er sich der Karawane Rimbauds an & begleitet ihn fast ein
Jahr lang durch die Wüstenlandschaft Abessiniens.
Straboni & Maurel fokussieren sich auf diese afrikanische
Episode und vernachlässigen jedes weitere biografische Detail. Hierbei
bekennen sich sich hingebungsvoll zu ihrer künstlerischen Freiheit.
Dieser Comic will kein dokumentarisches Vehikel sein, sondern eine
raffinierte, mit Phantastereien angereicherte Erzählung abbilden und
unterhalten.
Diese Einschränkungen kann man als unbefriedigend oder verkürzend empfinden, jedoch gelingt den beiden Autoren fraglos ein bezauberndes Porträt zweier, sich ständig im Widerstreit befindender Figuren, deren Reibungen berühren und zum Nachdenken anregen.
Beiläufig wird über Poesie, das politische Potential der Phantasie, verlorene Ideale, biografische Irrwege, Radikalisierung, Kränkungen, die europäische Geschichte und den Zweck & die Schöpfungsmacht von Dichtung reflektiert. "Chapeau, Herr Rimbaud" ist weit mehr als eine launige Biografie, sondern eine raffinierte Selbstbetrachtung von Literatur, deren Ergebnis so einfach wie brillant ist.
Selbst wenn alle "Poesie ist nichts als ein Schwindel" ist, bleibt sie unverzichtbar zum Erzählen guter Geschichten, zum Verdichten von Widersprüchen, zur Illustration brüchiger Biografien - und in diesem Sinne hat dieser Comic alles richtig gemacht, denn er verliert sich nicht in einer überraschungsarmen bebilderten Nacherzählung eines bereits bekannten Stoffes, sondern nutzt das gesamte Potential beider Gattungsform um einen unorthodoxen, neuen Blick auf einen schwer fassbaren Poeten zu werfen. Ich hoffe auf Nachahmungstäter.
Diese Einschränkungen kann man als unbefriedigend oder verkürzend empfinden, jedoch gelingt den beiden Autoren fraglos ein bezauberndes Porträt zweier, sich ständig im Widerstreit befindender Figuren, deren Reibungen berühren und zum Nachdenken anregen.
Beiläufig wird über Poesie, das politische Potential der Phantasie, verlorene Ideale, biografische Irrwege, Radikalisierung, Kränkungen, die europäische Geschichte und den Zweck & die Schöpfungsmacht von Dichtung reflektiert. "Chapeau, Herr Rimbaud" ist weit mehr als eine launige Biografie, sondern eine raffinierte Selbstbetrachtung von Literatur, deren Ergebnis so einfach wie brillant ist.
Selbst wenn alle "Poesie ist nichts als ein Schwindel" ist, bleibt sie unverzichtbar zum Erzählen guter Geschichten, zum Verdichten von Widersprüchen, zur Illustration brüchiger Biografien - und in diesem Sinne hat dieser Comic alles richtig gemacht, denn er verliert sich nicht in einer überraschungsarmen bebilderten Nacherzählung eines bereits bekannten Stoffes, sondern nutzt das gesamte Potential beider Gattungsform um einen unorthodoxen, neuen Blick auf einen schwer fassbaren Poeten zu werfen. Ich hoffe auf Nachahmungstäter.