Über die beiden Neuadaptionen von Animal Man & Swamp Thing wurde schon von verschiedenen Seiten recht Kluges gesagt, ich möchte meinen Senf jetzt noch ergänzt hinzugeben.
Beiden Serien war eigen, dass sie durch zwei versierte Storyboarder (Alan Moore & Grant Morrison)
zu Ausnahmeszenarien emporgehoben wurden, in Anknüpfung in diese
Erzähltradition bedeutet also in sehr große Fußstapfen treten zu müssen.
Eine Bürde, die man auch bereit sein muss zu tragen.
Scott Snyder & Jeff Lemire
gelten als große Talente und so war ich sehr gespannt darauf, wie sie
mit diesem Erbe umgehen werden. Als Vorbemerkung kann vorausgeschickt
werden, dass beide sehr gekonnt aus den Schatten der beiden
Comicmasterminds herausgetreten sind, auch wenn ich bei Lemires Adaption (den ich sonst sehr schätze) noch etwas unentschlossen bin. Zu wirr und schwurbbelig kommt sein Animal Man daher. Aber dieses Wehklagen auf hohem Niveau ist zu vernachlässigen.
Ich möchte zunächst was zu Swamp Thing sagen, welches von Scott Snyder kongenial erzählt & von Yanick Paquette
gnadenlos gekonnt illustriert wurde. Neudefinitionen fordern ja immer
eine doppelte Adaption heraus. Zum einen muss die ehemalige Storyline
gewahrt bleiben & die Struktur der Figur darf nicht zu sehr
unter die Räder des Neuentwurfs geraten und zum anderen soll die
Erneuerung auch eine eigene, wieder- und unverkennbare Handschrift
tragen.
Beides
ist gelungen. Die durch Moore stets stark gemachte ökologische Kritik
innerhalb des Settings bleibt bestehen und vielleicht ist gerade deshalb
das Wesen aus dem Sumpf heute eine solch tagesaktuelle Figur.
Ökologie,
früher ein Nischendiskurs der Grünen ist inzwischen glücklicherweise
von der breiten Bevölkerung als zwingende Notwendigkeit anerkannt worden
und das Monster ist nicht mehr ein einsamer Rufer in der Wüste, wie es
es noch in Moores Storylines war.
Das
Grün, damals ein recht esoterisch anmutendes Amalgan aus gekonnten
Actionsequenzen, romantischer Monstrenpoesie und dezidierten
Umweltschutzappellen erreicht in der Fassung von Snyder einen
phantastischen Glaubwürdigkeitssprung, den man nicht prominent genug
herausstellen kann.
Natürlich
ist das Swamp Thing noch immer ein Held wider Willen und es sträubt
sich immer noch hingebungsvoll gegen seine Gaben, aber dieser Zwiespalt
war in den älteren Fassung selten so deutlich. Die Figurenpsychologie
ist überragend und eben diese Überzeugungskraft macht diesen Comic zu
etwas sehr Mitreissenden und Verstörenden.
Das
Schwarz, die Fäule, der Tod - oder kurz der Raubbau des Menschen an der
ihn umgebenden und am Leben erhaltenden Natur ist keine Figur eines
naiven Ökömärchens mehr, sondern vielmehr die oftmals unbewusste Fratze
unserer Wegwerfgesellschaft.
Klar
ist dies hochcodiert und nicht immer auf den ersten Bild ersichtlich,
aber wer im brennenden Parlament der Bäume heute keine Warnung vor der
selbstverschuldeten Auslöschung durch entfesselte Naturkräfte sieht, dem
ist Emathie und Kontextbewusstsein wahrscheinlich ohnehin abhanden
gekommen.
Die
vereinfachte Darstellung des sensiblen ökologischen Gleichgewichts,
welches sich im Konflikt und der Zwietracht von Grün, Rot & der
Fäule abbildet ist tagesaktueller denn je, jeder neue große Sturm findet
in diesem Krieg seinen Anfang.
Interessant
ist die Idee beide Plots sich aufeinander beziehen zu lassen, die
Klimax wird ein Crossover beider Narrative sein - und
höchstwahrscheinlich wartet am Ende der bisher brillant erzählten
Geschichten eine epische Schlacht zwischen den Kräften des Lebens und
der frasshaften Dunkelheit.
Interessant ist auch die Neuerung bei der Hauptfigur der zweiten Serie, denn während sich Alec Holland (nach seinem selbstgewählten Exil) fast bereitwillig in seine Rolle als Erdenretter einfindet, wird Buddy Baker eher durch den äußeren Druck zur kooperativen Arbeit im Rot gezwungen.
Denn der Animal Man
versucht seine Sonderbegabung mit seinem Wunsch, nach einem normalen
Familienleben zu kombinieren, was ihm auch als Akteur gelingt - nur
wurde seine Gabe (oder sein Fluch - je nach Deutungsrahmen) auch an
seine Tochter Maxine weitervererbt.
Die verstörenden Kräfte seiner Tochter führen zu weitaus verheerenderen Herausforderungen, in denen sich Buddy Baker
als verzichtbarer Faktor innerhalb des Rots erweist. Seine Tochter ist
eine so machtvolle Komponente im Lebenskosmos, dass das Überleben der
gesamten Menschheit mit ihrem Schicksal verknüpft ist. Ein
Superheldencomic, der auf seinen Helden verzichten kann. Yap.
Dekonstruktion in ihrer wundervollsten Klarheit.
Natürlich müsste man fast sagen Jeff Lemire
ist der nahezu perfekte Autor für einen solchen gewagten Plot. Seine
Feinsinnigkeit in der Figurenzeichung und sein augenscheinliches Talent
für komplexe Storylines hat der Frankokanadier bereits mehrfach
eindruckvoll unter Beweis gestellt - aber (hier mag sich etwas
Geschmäckle einschleichen) noch ist mir der Plot deutlich zu wirr und
die Zeichnungen von Travel Foreman sind leider überhaupt nicht
meine Tassebier. Und da sich für mich ein Comic stets aus überzeugenden
Bildern und einer gelungenen Erzählung zusammenfügt muss ich hier
deutlichen Punktabzug geben.
Es bleibt abzuwarten, was passiert, wenn das deutlich aufgeräumtere Narrativ von Snyder sich mit Lemires
Schreibe vereint. Möglicherweise entwirrt sich das Farb- und Plotgewirr
auch bereits im nächsten Sammelband. Ich finde die Idee des opferbaren
Helden absolut großartig und bin daher über die (bislang) überladene
Herangehensweise etwas enttäuscht.
Festzuhalten bleibt
aber, dass sich in diesen beiden Serienanfängen, zwei der
elaboriertesten und klügsten Plots seit langem manifestieren. Die
Verschmelzung beider Geschichten hat das Potential Comicgeschichte zu
schreiben, es bleibt abzuwarten in welcher Form sich die beiden (meines
Erachtens) völlig disparaten Erzähl- und Zeichenformen vereinigen lassen
- ich bin sehr gespannt - trotz aller Vorbehalte gegenüber Lemire, denn
dieser Zauberlehrling hat mich immer wieder überrascht, warum sollte es
hier anders sein.