So horcht wohl auf liebe Kinder und lasst euch erzählen von der Zeit als es noch Diplomanden am MPZ [Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung] in Köln gab. Mir ist ja schon klar, dass ich ein alter Sack bin und einige unserer jungen Leser gar nicht wissen was Diplomanden sind [fragt doch mal spasseshalber einen Assi an der Uni und kommt wieder, wenn der aufhört hysterisch zu lachen] - aber die folgende Geschichte ist wirklich wahr und nett und hat sich vor etwa 20 Jahren so zugetragen!
Damals hatte ein sehr junger Diplomand von knapp 28 Jahren - nennen wir ihn Holgi (aus Anonymisierungsgründen & wg. meines saumiserablen Namensgedächtnisses] - nur noch knappe zwei Wochen bis zur Abgabe seiner Diplomarbeit. Alle Fristverlängerungen waren schon ausgeschöpft, alle Hintertürchen, Schicksalsschläge und "nicht selbstverschuldeten" Hindernisse ausgespielt. Zwei Wochen! Dann war das Ding fällig.
Holgi forschte irgendetwas superwichtiges für den Weltfrieden mit … Bakterien? Zellkulturen? Es war mir seinerzeit lang und breit erklärt worden. Aber ich hatte es damals schon nicht kapiert und bin heute auch nicht in der Lage das wikifest wiederzugeben. Ist auch nicht so wichtig, wie die Tatsache dass Holgis Zellkulturen unbedingt in einer biologisch korrekt angereicherten Nährstofflösung gezüchtet werden mussten, die mit ganz bestimmten [gekürzt] und dazu brauchte Holgi eine bio-Basis. Vulgo: Rinderblut.
Viel Rinderblut! Und das konnte man damals und in Köln durchaus beim freundlichen Schlachthof nebenan bekommen - für ganz kleines Geld. [Heutztage existieren Schlachthöfe wahrscheinlich nur noch in Tschechien oder China, aber damals vor 20 Jahren war das so.] Da Holgi aber nicht nur Biologie-Student, sondern auch pazifistisch, Ostermarsch-Teilnehmer und gefühltes Gründungsmitglied der Grünen war, holte er das Zeug jedesmal mit dem Fahrrad.
Also Fahrad-Helmchen aufgesetzt. [War damals noch ein seltener Anblick!]
9-Liter-Plastikkontainer in Jute-Rucksack eingepackt. [Heute hat ja jedes Mitte-Girl so ein Jute-Ding im Club dabei… aber damals war das was für Ökos!]
Ab auf den etwas klapprigen, aber noch gut funktionierenden Drahtesel - und los ging's!
Tapfer 40 Minuten den Berg hoch bis zum Schlachthof!
Dort angekommen - direkt durch bis zum Tresen/Meldebereich, Kanister ausgepackt, [Helmchen nicht ausziehen! Kostet Zeit!] Kanister vollmachen lassen, Standardwitzchen müde lächelnd quittieren, Kanister in Jute-Rucksack packen, ab auf den Drahtesel und daaaaann tapfer wieder die 25 Minuten den Berg runter zur Arbeitsstelle um die Zellkulturen amtlich zu tunen.
Das machte Holgi seit vielen Monaten schon mehrfach pro Woche und es ging IMMER gut bis zu jenem schicksalshaften Tag. Zwei Wochen! In zwei Wochen MUSSTE Holgi das Ding abgeben! Es sah die Autotür einfach nicht.
Also Holgi war mit dem Fahrrad in vollem Lauf gegen eine gerade geöffnete Autotür geknallt. Ihm war nichts passiert! Helmchen sei Dank! Aber - sein Juterucksack hatte den Kanister nicht halten können und 9 Liter Rinderblut flossen über Holgi - Holgis Helmchen, Holgis Brille, Holgis Fahrrad, den Boden unter Holgis Fahrrad, die Autotür, den Asphalt, den Fußgängerüberweg, die Ampel, die arme Oma mit Pudel am Fußgängerüberweg gegenüber…
9 Liter! Habt ihr überhaupt eine Vorstellung davon wie schweineviel das ist? Kleiner Tipp: Der menschliche Körper beinhaltet im Durchschnitt 5-6 Liter Blut! Blutverlust ist ab 3 Litern tödlich… 9 Liter ist einfach sehr, sehr viel. Vor allem: Das sah aus wie Blut, das roch wie Blut, das fühlte sich an wie Blut … das WAR Blut!
Der arme Autofahrer musste dann mit dem Rettungswagen abgeholt werden. Er stand vollständig unter Schock. Und Holgi? Nun, er hatte sich ja nichts zuschulden kommen lassen, also hielten ihn die Polizeibeamten nicht weiter fest. [Wie gesagt, das war vor 20 Jahren. Heute würde das anders laufen, da bin ich mir sicher.]
Was sollte er machen? Zwei Wochen. 14 Tage.
Ein Diplomand muss tun, was ein Diplomand tun muss.
Holger nahm also seinen [nun fast leeren] 9-Liter-Kanister, leerte diesen vollständig in die riesige Siff-Pfütze vor ihm, packte den Kanister wieder in den Jute-Rucksack, schwang sich auf's Fahrrad, strampelte wieder zum Schlachthof, stapfte blutüberströmt zum Tresen und schob den Kanister rüber: "NOCHMAL!"
Es ist leider nicht überliefert wie das Fleischerei-Fachpersonal darauf reagierte. Also wirklich jetzt. Wie sie hätten reagieren sollen, dazu gibt es dagegen mehrere Versionen. Eine schöner wie die andere…
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John Layman / Rob Guillory
Chew - Bulle mit Biss 1
- Leichenschmaus -
Cross Cult
140 Seiten | Hardcover | 15 x 21 cm
ISBN 9783942649186
16,80 EUR
CHEW 1-6 auf Deutsch erhältlich,
außerdem als US-amerikanische
Paperback-Ausgabe bis Band 7
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Um zum Punkt zu kommen:
Der Comic "Chew - Bulle mit Biss!" von John Layman und Rob Guillory schildert einen armen Vegetarier-Polizisten in einer Hard-Core-Vegetarier-Welt. Was ja erstmal wenig Sinn macht, denn eigentlich müsste so ein Vegetarier in so einer Welt doch überaus glücklich sein, oder?
Naja, nicht wenn Fleischverzehr illegal ist und er als Polizist eben illegale Aktivitäten aufklären und verhindern muss. Konkret geht er also mit seinem Kollegen in eine Art "Prohibition-Flüsterkneipe" mit Würstel und Hähnchen Angebot. Und da er sich als Undercover-Cop nicht verdächtig machen will, muss er auch was bestellen. Also irgendwas. Vegetariertum hin oder her. Er bestellt eine Suppe.
Dann schlägt der Grund für sein stricktes Vegetariertum durch! Er ist Telepath - genauer: Geschmacks-Telepath! Er spürt alles was das Essen in seinen letzten Minuten erlebt hat, bevor es Essen wurde! Und die Suppe? Das war eine Fleichsuppe, mit vielen verschiedenen Fleisch-Streifen und einer Fülle von neuen Eindrücken …
Also spätestens nach der Episode würde der [immer noch] geneigte Leser erwarten, dass unser Held eine neue Karriereplanung als Inneneinrichter aufnimmt. Oder zumindest irgendwas mit Medien! Aber unser Held ist nicht dazu da glücklich zu werden. Er ist dazu da Verbrechen zu bekämpfen und das kann er mit dieser ganz speziellen Eigenschaft sogar noch besser als andere.
Auch wenn es eklig ist.
Auch wenn es blutig ist.
Ein Cop muss tun, was ein Cop tun muss!
Liest sich gut.
Sehr geeignet auch als kleines Mitbringsel zum traditionellen Weihnachtsessen!
Aber das ist ja noch etwas hin.
Mit herbstlichen & etwas morbiden Grüßen
JULES
Nachtrag: Das Buch ist sicher definitiv nichts für Kinder. Aber ich hab so eine Ahnung, dass wenn meine Tochter in das traditionelle "ich-bin-jetzt-Vegetarier-und-ihr-alle-auch"-Alter kommt, dann könnte es durchaus gefallen. Mal sehn.