Samstag, 10. April 2010

Street Art: Die Stadt als Spielplatz & Street Art: Legenden zur Strasse [Archiv der Jugendkulturen]

"Wer sich auf die Realität einlässt, muss die beruhigende Eindeutigkeit aufgeben."

Diese knappe Selbstbeschreibung bringt hervorragend auf den Punkt, weshalb der Berliner Verein "Archiv der Jugendkulturen" eine ganz besondere Adresse dieser Stadt ist. Die Ansätze des Vereins leugnen in ihrer Offenheit nicht die Komplexität, Widersprüchlichkeit und Irrationalität von jugendlicher Identität(en) und Ausdrucksformen, sondern versuchen vielmehr diese durch Eigenzeugnisse darzustellen. Ein Blick auf die Website (Archiv der Jugendkulturen), den Veranstaltungskalender, die Seminarreihen und die Veröffentlichungen lohnt sich.

Ich möchte heute zwei Publikationen des vereinseigenen Verlags vorstellen, deren Thematik auf dieser Seite schon häufiger seinen Niederschlag & Raum gefunden hat - es soll sich um die olle Tante Streetart drehen.


Beginnen werde ich mit dem älteren der beiden Sammelbände. Das Buch stellt die Abschlussarbeit der beiden Macher (Daniela Krause & Christian Heinicke) an der Hochschule für Kunst und Design Halle/Saale dar und wurde erstmal im Verlag des Vereins veröffentlicht.

Auf etwa 200 Seiten verfolgen die beiden ein Phänomen, welches man als Rückaneignungsstrategien des öffentlichen Raums bezeichnen kann, als Parallelsemantik zu den jederzeit präsenten "Projektionsflächen kommerzieller Zeichen" oder auch schlicht als Strassenkunst.

Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf den Arbeiten ausserhalb des traditionellen Graffitibegriffs, vielmehr geben sie auf Pochoirs, Subvertising-Ansätze, klassisches Ad-Bustings und die immer wieder wunderbaren Cut-Outs ein.

Neben der ständig im Text durchscheinende Begeisterung für die stets mitinszenierte Vergänglichkeit der Strassenkunstk, deren Museen eben nicht witterungsunabhängig sind, überzeugt mich auch die abgerundete Darstellung des Buchs. Ein Glossar macht die Szenenbegriffe auf für Einsteiger, Eltern und andere Interessierte verständlich und der Bilderauswahl werden einige kürzere Geleittexte beigefügt.

Diese Texte kreisen um die Frage der Kommunikationsstrukturen des öffentlichen Raums, deren Durchherrschung durch verwertungslogische und konsumbejahende Inszenierungen und der möglichen, subversiven Qualität von Strassenkunst, als kommunikations- und konsumkritisches, ironisierendes Kommentar. Die Texte sind recht knapp, gut verständlich und auch ohne weitere geisteswissenschaftlichen Exegesen zu verstehen.

Wen diese ganze Debatte nicht kümmert, der kann sich an der langen Bildstrecke und den einzelnen hervorragenden Künstlerportraits gütig tun.

In die gleiche Kerbe schlägt auch eine weitere Publikation des Archivs, wenn auch die Herangehensweise eine andere ist.

Die Macher und Herausgeber (Katrin Klitzke & Christian Schmidt) wählten den programmatischen Untertitel "Legenden zur Strasse" für ihre Anthologie. Auch ihre Untersuchungsgegenstände lauten Blackbooks, Ästhetik, Öffentlichkeit und Vergänglichkeit, aber im Gegensatz zum erstgenannten Titel ist dieser Band deutlich textreicher.

Der Begriff der Legende in seiner Doppeldeutigkeit, kann sich einerseits auf diese omninösen, stets nur des Nächtens aktiven Erlkönige mit Kleister und Kanne beziehen. Aber auch auf einen der Kartographie oder der Illustration entliehenen Begriff Bezug nehmen, welcher die vorgefundenen Zeichenstrukturen kommentiert und kontextualisiert.

In 32 Unterkapiteln kommen Aktive und Theoretiker zu Wort, der nicht zu unterschätzende Vorzug des vorliegenden Text-Ensembles liegt in seiner Lesbarkeit. Die Balance zwischen begeisterter Fanschreibe und theoretischer Reflexion gelingt durchgehend. Unlesbare, verschrubbelte Artikel wurden scheinbar anhand eines qualitativen Lektorats ausgeschieden. Symphatisch.

Die theoretischen Arbeiten, welchen den Schilderungen der Arbeitsweise durch die Aktiven zur Seite gestellt werden erfüllen tatsächlich den Zweck einer erklärenden (und oftmals erhellenden) Legende.

Gelangten in den letzten Jahren nach dem 2004er Streetarthype eher maue Fotostrecken von windigen Geschäftstüchtigen in die Buchhandlungen und erschöpfte sich die theoretische Bearbeitungen in Bleiwüsten oder Allgemeinplatzrhetoriken, so findet hier eine sehr gelungene Hybridisierung statt.

Natürlich werden auch hier eher bekannte Künstler gewürdigt, aber diese haben sich in ihrer Einzelarbeit stets um die Fort- und Weiterentwicklung dieser Kunstform verdient gemacht. Klagen möchte ich hier nicht.

225 Seiten voller Bildinformationen im doppelten Sinne in einer ansprechenden Aufmachung, ja Bildungspolitik kann auch gut aussehen. Erhältlich sind beide Titel in unseren Filialen in Mitte & Kreuzberg. Kostenpunkte: "Strasse als Spielplatz" im Softcover für 28,00 Euro & auch die "Legenden zur Strasse" sind im Hardcover für 28,00 Euro zu haben.

auch THE DEVASTATOR sucht noch Sponsoren...

'The Devastator' is a brand-new book series, jam-stuffed with original satire and comics. Coming at you quarterly, it's 48 full-color pages of awesome, created by upcoming and renowned writers and artists. Each book will wrestle a different pop-culture theme. Book #1 is all about cartoons! Fundraiser on Kickstarter launched today:



Uih: ein selbstironischer Text aus der Visual Kei-Szene!

Eigentlich geht's bei der jame-world ja immer sehr seriös zu, heute aber erschien diese Meldung:

Der König von Gantzfeld

Eine alte Regel der VK[Visual Kei]-Szene scheint zu besagen: Wenn nichts mehr geht, schlag ein deutsches Wörterbuch auf und suche dir einen klangvollen Namen. Diesmal war Loki (ehemals Sänger von Sugar) an der Reihe. Sein neues Solo-Projekt heißt König - mit weniger sollte man sich auch nicht zufrieden geben.

Kurzlebige Projekte gibt es immer wieder - wobei man in diesem Fall ja noch nicht weiß, für wie lange es gedacht ist. Aber die Tatsache, dass König bereits ein Mini-Album für den Markt parat haben, ist dann doch eine Newsmeldung wert:

"Gantzfeld" soll am 10. Mai erscheinen und - wohl wegen der Limitierung auf 1000 Exemplare - immerhin 2400 Yen kosten. Dafür bekommt man aber sechs Tracks und ein Booklet.

Der Name "Gantzfeld" wird von Loki bereits seit Sommer letzten Jahres für diverse Aktivitäten verwendet und beruht nicht auf dem zweiten ungeschriebenen Grundsatz der VK-Szene: Kauf dir eine Europakarte und tippe irgendwo hin, wird schon gut klingen...
im Original bei jmusiceuropa.com