Der gegenwärtige Hype ist ja das Spiel mit den Untoten, egal ob nun die sprachdefekten Hinterherwackelzombies oder ihre nahen Verwandten, die aristokratischen Blutsauger, Vitalitätsbeeinträchtigung scheint ein großartiges Verkaufsargument zu sein.
So überrascht es jetzt auch nicht wirklich, dass der Splitter Verlag, seit Jahren publizistische Speerspitze des frankobelgischen Fantasycomics in Deutschland, auch einen Teil des gewaltigen Kuchens abknabbern haben möchte, welcher durch den schier verwirrenden Großhype rund um die Vampirgeschichten von Stephenie Meyer entstand. Im Gegensatz zu der lieblichen, pastelltönigen und nicht selten problematischen Moraldichtung Meyers geht es bei "D" aber durchaus ruppiger, subversiver und ja - unterhaltsamer zu.
Bereits das Setting in den gehobenen gesellschaftlichen Kreisen des viktorianischen Englands spielt raffiniert mit der stereotypen Erwartungshaltung an einen Vampircomic. Vampire sind distinguiert, zeigen Noblesse und natürlich sind sie auch Paradebeispiele der Sublimationsleistung - ihre gebändigte Sinnlichkeit ist nicht Zeichen ihrer Manneskraft, sondern das Ergebnis einer Jahrhunderte langen Anpassungsleistung an die menschliche Umgebung.
Vampire sind, ganz anders als ihre eher impulsiven und instinktgesteuerten Mitspieler im untoten Lager - die Zombies, mit einer hohen manipulativen Begabung beseelt, sie spielen & täuschen, tricksen und taktieren. Womöglich ein Grund, weshalb sie sich im intrigenträchtigen, adeligen Umfeld so wohl fühlen. Und auch bei diesem Comic, welcher vom Team Ayroles / Maiorana angefertigt wurde, die bereits mit der teils bitterbösen, teils knuffigen Märchenparodie Garulfo eine wieder erkennbare Visitenkarte hinterließen, lebt der Vampir von den Wünschen der Menschen.
Die Gier nach ewiger Jugend, Unsterblichkeit, nie verblassender Schönheit, Macht und der Schwerkraft trotzendem Pogewebe führt immer wieder wohlhabende Damen der Upper Class in die Arme des Dandys Lord Faureston.
Wir werden Zeuge, wie behaglich sich der Dandyvampir auf den Bällen & Empfängen eingerichtet hat, erkennen, dass seine Strategien erfolgreich sind, dass er immer Herr des Spiels ist - bis er beginnt seine Jagdinstinkte auf Miss Catherine Lacombe zu lenken. Denn diese Dame ist wiederum auch dem resoluten, hemdsärmeligen (und nicht adeligen) Forscher Richard Drake aufgefallen, welcher um ihre Gunst buhlt. Wir erleben hier also auch einen kleinen Konflikt zwischen aufstrebendem Bürgertum und Adel, zwischen althergebrachter Etikette und neuer Selbstverständlichkeit & natürlich wäre diese ganze doppelbödige Erzählweise ohne den parodierenden Spott von Ayroles Texten weniger unterhaltsam.
Und weil ein Sammelsurium absurder Figuren immer verzückender ist, wird dem knurrigen, nüchternen Forscher mit Mister Jones noch ein obskurer und vampirgläubiger Bankangestellter zur Seite gestellt, der ihn von der Existenz der Kreaturen der Nacht überzeugen will. Dieses ungleiche Paar versucht nun das Leben von Miss Lacombe zu retten, welche immer wieder durch subtiles Becircen und Umgarnen auf die Seite des kultivierten Beaus gezogen wird - aber ist dieser Lord tatsächlich was er vorgibt zu sein oder versteckt er hinter Etikette, Stil und Haltung niederere, blutigere Motive? Findet es heraus.
Kurz gesagt - "D" ist eine charmant erzählte Gesellschaftskomödie mit viel Wortwitz und noch mehr Blut - und einige hundert blutrote Rosen sind auch involviert. Und ja der vorliegende Comic ist auch ein augenzwinkerndes Kommentar zum gegenwärtigen Hype, der dem Genre sämtlich Roh- und Bösartigkeit entzogen hat & schon daher mehr als nur ein Tipp - also wer ein Antidot zu den romantischen Kitschphantasien braucht, ihr findet es in beiden Filialen für 13,80 Euro (HC). Band #02 & #03 sind bereits in Vorbereitung.
Ergänzend muss ich sagen, die Damen & Herren der PR-Abteilung von Splitter verstehen ihr Handwerk: Anbei noch ein wirklich schöner Trailer zum Comic, auch wenn mir die musikalische Untermalung etwas zu pathetisch geraten ist, komme ich nicht drum herum dieses Video als gelungen zu bezeichnen. Wollen wir hoffen, dass dieser barocke Titel ein paar Lücken in die Armeen der Freunde der sterilen Vampirunterhaltung schlagen kann.