Fábio Moon & Gabrial Bá liefern mit ihrer dem magischen Realismus große Ehre erweisenden Farborgie einen Meilenstein der aktuellen Comicgeschichte ab. Daytripper ist zwar bereits 2009 erschienen, wurde aber bislang in unseren Breitengraden eher von einer verschworenen Gemeinde von Farb- und Grafiksüchtigen mit großem Enthusiasmus begrüßt. Dabei kann dieses wundervolle Nischenprodukt, das zwischen perfekt austarierter Erzählminiatur und Breitpanoramabildirrsinn oszilliert, durchaus als Geheimtipp gehandelt werden.
Bereits die untypische Farbgebung des Coverartwork sollte hellhörig machen. Daytripper ist deshalb so eigenständig, weil das Duo eine bislang eher marginale Erzähl- und Zeichentradition in den amerikanischen Mainstream einspeist. Moon & Bà sind brasilianische Zwillingsbrüder, die sich scheinbar blind verstehen, und so ist es unglaublich schwierig zwischen beiden Zeichenstilen & Strichen zu unterscheiden, die einzelnen Panels verschmelzen zu einem farbenfrohen Bilderreigen, der in dieser konsequenten, eleganten und sogstarken Wirkung Seltenheitswert besitzt.
Hält man sich nicht mit solchem analytischen Schnickschnack auf, entblättert sich hier ein Panaroma, welches vor Ideenreichtum, zeichnerischer Finesse, ungewohnten Erzähl- und Blickperspektiven nur so trotzt. Hauptfigur dieser Erzählung (die den Beinamen grafische Novelle tatsächlich mal verdienen würde) ist der semi-erfolgreiche Kolumnist Brás de Oliva Domingos. Spross eines höchsterfolgreichen Literaten undselbst ein eher verkrachte Künstlerexistenz.
Sein tägliches Brot erschreibt sich Domingos als Auftragsschreiber in der örtlichen Zeitung - dort verfasst er Nachrufe auf Zuruf, seine Karriere als erfolgreicher Autor ruht natürlich derweil, was ihn aber nachts nicht davon abhält von Ruhm, Blitzlichtgewitter & öffentlichem Interesse zu träumen. Kurz, eine gescheiterte, eine tragisch-komische Figur.
Moon & Bá gelingt es aber diesen versagenden Eskapisten & Tagträumer symphatisch und menschlich zu schildern, so dass sein Schicksal, dem wir beiwohnen werden, durchaus Emotionalität hervorruft. Domingos stirbt - damit verrate ich noch nicht allzuviel - denn sein Tod dauert immer nur ein paar Panels lange an, dann schliesst sich eine neue Kurzepisode an, in welcher er sich Teile seines nicht gelebten Lebens erträumt.
In insgesamt neun gekonnt erzählten Kurzgeschichten wird eine Meditation über den Sinn des Lebens und die Notwendigkeit des Todes angestossen, surreal, elegant, bezaubernd, verstörend. Hier finden sich Bild, Farbe & Text zu einer geschlossenen, erfrischend eigensinnigen Form zusammen, die man nur bewundern kann.
Das faszinierendste an der Umrundung dieser Erzählfigur ist, dass dieses repetitive, wiederkehrende Moment niemals stört, vielmehr entwickelt der Entwurf eines Menschen - der nie war, seine Sogkraft & Finesse gerade aus der steten Wiederholung einzelner biografischer Versatzstücke.
Mehr vorweg zu nehmen wäre euch gegenüber nicht fair, ich kann nur allen Lesern, die den körpergestählten psychologisch blassen Heroen überdrüssig sind, die sich nach raffinierter Erzählerkost abseits der bereits entlaubten Pfade sehnen & einen Blick wagen wollen, in eine noch exotische Bilderwelt den Tipp geben, diesem aussergewöhnlichen Titel eine Chance zu gehen & daher überrascht es auch sicherlich nicht, dass ich meine Flaneurempfehlung nachreiche.
Erwerbbar ist der Titel in beiden Filialen!