"Kasperls Oma ist Türkin!" [Kontext: Begeisterter Ausruf eines etwa vierjährigen Mädchens als es von ihrer Mama aus der Kita abgeholt wurde. Ich stand direkt daneben und wartete auf meinen kleinen Sohn, der die gleiche Kita besucht, aber bislang noch nicht durch irgendwelche, wie auch immer gearteten Integrations-Beobachtungen aufgefallen war.]
Jedenfalls brach sich die Mama dann einen ab um ihrem kleinen Mädchen irgendwelche Migrations-Integrations-MultiKulti-Politikersprech-Konzepte überzuhelfen. Was komplett am Kind und am Thema vorbei ging. Die Frage war einfach, warum Kasperls Oma Türkin sei.
Einfache Antwort: Kopftuch! Alle Frauen mit Kopftuch, die dieses kleine Mädchen kannte, waren Türkinnen, also -. Dann wurde das Gespräch noch einen Zacken schärfer, als die arme Mama erläuterte, dass dieses Kopftuch nur ein Symbol dafür sei, dass Kasperls Oma eben eine Oma und eine alte Frau sei – denn Omas – Ha! Gegeneinwurf Kind! Ihre Oma trug kein Kopftuch! Und die Oma ihrer besten Freundin auch nicht! Und überhaupt! Sie [das kleine Mädchen] würde keinen einzigen Fall … [Zu dem Zeitpunkt kam endlich mein Sohn und wir entfernten uns dankbar Richtung Eiscafé.]
Als ich mich dann später am Abend im Freundeskreis über diese arme, politisch korrekte und pädagogisch herausgeforderte Mutter amüsierte, kam als Gegenargument ein herzhaftes "Klappe!". Ich hatte ja seinerzeit selbst gejammert, dass die Diskussion über das N-Wort bei Otfried Preussler ("Die kleine Hexe") und Astrid Lindgren ("Pippi im Taka-Tuka-Land") meiner großen Tochter (8 Jahre) nur schwer zu vermitteln sei. Warum man damals sowas sagen konnte. Und heute eben nicht mehr. Bücher ändern sich. Manchmal muss man sie dann korrigieren. Wenn der Nachwuchs nicht mit einem falschen Weltbild aufwachsen soll. In dem alle Omas Kopftücher tragen. Und Pippi Langstrumpfs Papa ein N-König ist! Da ist Handlungsbedarf! Aber hallo!
Politisch korrekte Eltern können so anstrengend sein. Vor allem, wenn sie erst Comics als pädagogisch wertlos ablehnen und dann an den pädagogisch wertvollen Kinderbuch-Klassikern rumeditieren…
|
Carla & Vilhelm Hansen
Petzi - Band 11:
Petzi reist um die Erde
Carlsen
Paperback | 24 x 17 cm | 32 Seiten
ISBN 9783551737311
3,90 EUR
|
Um zum Punkt zu kommen:
Den "Petzi" von Carla und Vilhelm Hansen kenne ich noch aus meiner eigenen Kindheit. Es ist ein Comic. Es ist ein Klassiker. UND er ist absolut nicht editierbedürftig!
Der Band "Petzi reist um die Erde" basiert lose auf "In achtzig Tagen um die Welt" und eignet sich hervorragend zum gemeinsamen Lesen mit Kleinkind.
Das Problem ist klar (immer den nächsten Anschluss für die Weiterreise zu finden), die immer wieder auftauchenden Probleme sind unterhaltsam (beispielsweise enden die Schienen irgendwann) und die überraschenden Lösungen aus Sicht eines Kleinkindes völlig logisch (beispielsweise die Weiterfahrt mit dem Ruderboot nach China). Würde das Kind genauso machen. Ist ja ein cleveres Kind! Und schon sehr überzeugt davon "groß" zu sein- Wie alle Kinder in dem Alter!
Spaß macht dem Kind auch der Wiedererkennungswert von diversen Viechern, Gegenständen und Situationen. Beispielsweise, dass dem einen Mitreisenden ständig die Nase geschnäuzt wurde - ob er wollte oder nicht - kam dem Kind SEHR bekannt vor. Internationales Problem!
Verglichen mit anderen angesagten Büchern ist "Petzi" sehr ruhig. Langsame Bildführung - keine Schießereien, keine Prügeleien, keine Monster. Niemand muss kämpfen, niemand wird verletzt. Es wird nie langweilig, aber alle Probleme sind lösbar. [Und es gibt keinen Stress mit überholter Symbolik a la Kopftücher-als-Zeichen-für-Omas oder N-Wort-als-Zeichen-für-Exotik - d.h. das Kind kann alles auch ohne weitere Fußnoten verstehen.]
Einfach eine erholsame Geschichte nach einem stressigen Tag im Kindergarten. Sehr empfehlenswert und vom Kind gern angenommen.
Mit entspannten Grüßen,
JULES
Bonus: Samuel Jackson zur Otfried Preussler Diskussion (Berliner Zeitung) - und nicht zu vergessen:
petzi-forschung.de