Donnerstag, 29. November 2012

Animal Man X Swamp Thing. Klassiker neu belebt



Über die beiden Neuadaptionen von Animal Man & Swamp Thing wurde schon von verschiedenen Seiten recht Kluges gesagt, ich möchte meinen Senf jetzt noch ergänzt hinzugeben.

Beiden Serien war eigen, dass sie durch zwei versierte Storyboarder (Alan Moore & Grant Morrison) zu Ausnahmeszenarien emporgehoben wurden, in Anknüpfung in diese Erzähltradition bedeutet also in sehr große Fußstapfen treten zu müssen. Eine Bürde, die man  auch bereit sein muss zu tragen.

Scott Snyder & Jeff Lemire gelten als große Talente und so war ich sehr gespannt darauf, wie sie mit diesem Erbe umgehen werden. Als Vorbemerkung kann vorausgeschickt werden, dass beide sehr gekonnt aus den Schatten der beiden Comicmasterminds herausgetreten sind, auch wenn ich bei Lemires Adaption (den ich sonst sehr schätze) noch etwas unentschlossen bin. Zu wirr und schwurbbelig kommt sein Animal Man daher. Aber dieses Wehklagen auf hohem Niveau ist zu vernachlässigen.

Ich möchte zunächst was zu Swamp Thing sagen, welches von Scott Snyder kongenial erzählt & von Yanick Paquette gnadenlos gekonnt illustriert wurde. Neudefinitionen fordern ja immer eine doppelte Adaption heraus. Zum einen muss die ehemalige Storyline gewahrt bleiben & die Struktur der Figur darf nicht zu sehr unter die Räder des Neuentwurfs geraten und zum anderen soll die Erneuerung auch eine eigene, wieder- und unverkennbare Handschrift tragen.

Beides ist gelungen. Die durch Moore stets stark gemachte ökologische Kritik innerhalb des Settings bleibt bestehen und vielleicht ist gerade deshalb das Wesen aus dem Sumpf heute eine solch tagesaktuelle Figur.

Ökologie, früher ein Nischendiskurs der Grünen ist inzwischen glücklicherweise von der breiten Bevölkerung als zwingende Notwendigkeit anerkannt worden und das Monster ist nicht mehr ein einsamer Rufer in der Wüste, wie es es noch in Moores Storylines war.

Das Grün, damals ein recht esoterisch anmutendes Amalgan aus gekonnten Actionsequenzen, romantischer Monstrenpoesie und dezidierten Umweltschutzappellen erreicht in der Fassung von Snyder einen phantastischen Glaubwürdigkeitssprung, den man nicht prominent genug herausstellen kann.

Natürlich ist das Swamp Thing noch immer ein Held wider Willen und es sträubt sich immer noch hingebungsvoll gegen seine Gaben, aber dieser Zwiespalt war in den älteren Fassung selten so deutlich. Die Figurenpsychologie ist überragend und eben diese Überzeugungskraft macht diesen Comic zu etwas sehr Mitreissenden und Verstörenden. 

Das Schwarz, die Fäule, der Tod - oder kurz der Raubbau des Menschen an der ihn umgebenden und am Leben erhaltenden Natur ist keine Figur eines naiven Ökömärchens mehr, sondern vielmehr die oftmals unbewusste Fratze unserer Wegwerfgesellschaft.

Klar ist dies hochcodiert und nicht immer auf den ersten Bild ersichtlich, aber wer im brennenden Parlament der Bäume heute keine Warnung vor der selbstverschuldeten Auslöschung durch entfesselte Naturkräfte sieht, dem ist Emathie und Kontextbewusstsein wahrscheinlich ohnehin abhanden gekommen. 

Die vereinfachte Darstellung des sensiblen ökologischen Gleichgewichts, welches sich im Konflikt und der Zwietracht von Grün, Rot & der Fäule abbildet ist tagesaktueller denn je, jeder neue große Sturm findet in diesem Krieg seinen Anfang.

Interessant ist die Idee beide Plots sich aufeinander beziehen zu lassen, die Klimax wird ein Crossover beider Narrative sein - und höchstwahrscheinlich wartet am Ende der bisher brillant erzählten Geschichten eine epische Schlacht zwischen den Kräften des Lebens und der frasshaften Dunkelheit.




Interessant ist auch die Neuerung bei der Hauptfigur der zweiten Serie, denn während sich Alec Holland  (nach seinem selbstgewählten Exil) fast bereitwillig in seine Rolle als Erdenretter einfindet, wird Buddy Baker eher durch den äußeren Druck zur kooperativen Arbeit im Rot gezwungen.

Denn der Animal Man versucht seine Sonderbegabung mit seinem Wunsch, nach einem normalen Familienleben zu kombinieren, was ihm auch als Akteur gelingt - nur wurde seine Gabe (oder sein Fluch - je nach Deutungsrahmen) auch an seine Tochter Maxine weitervererbt.

Die verstörenden Kräfte seiner Tochter führen zu weitaus verheerenderen Herausforderungen, in denen sich Buddy Baker als verzichtbarer Faktor innerhalb des Rots erweist. Seine Tochter ist eine so machtvolle Komponente im Lebenskosmos, dass das Überleben der gesamten Menschheit mit ihrem Schicksal verknüpft ist. Ein Superheldencomic, der auf seinen Helden verzichten kann. Yap. Dekonstruktion in ihrer wundervollsten Klarheit.

Natürlich müsste man fast sagen Jeff Lemire ist der nahezu perfekte Autor für einen solchen gewagten Plot. Seine Feinsinnigkeit in der Figurenzeichung und sein augenscheinliches Talent für komplexe Storylines hat der Frankokanadier bereits mehrfach eindruckvoll unter Beweis gestellt - aber (hier mag sich etwas Geschmäckle einschleichen) noch ist mir der Plot deutlich zu wirr und die Zeichnungen von Travel Foreman sind leider überhaupt nicht meine Tassebier. Und da sich für mich ein Comic stets aus überzeugenden Bildern und einer gelungenen Erzählung zusammenfügt muss ich hier deutlichen Punktabzug geben.

Es bleibt abzuwarten, was passiert, wenn das deutlich aufgeräumtere Narrativ  von Snyder sich mit Lemires Schreibe vereint. Möglicherweise entwirrt sich das Farb- und Plotgewirr auch bereits im nächsten Sammelband. Ich finde die Idee des opferbaren Helden absolut großartig und bin daher über die (bislang) überladene Herangehensweise etwas enttäuscht.

Festzuhalten bleibt aber, dass sich in diesen beiden Serienanfängen, zwei der elaboriertesten und klügsten Plots seit langem manifestieren. Die Verschmelzung beider Geschichten hat das Potential Comicgeschichte zu schreiben, es bleibt abzuwarten in welcher Form sich die beiden (meines Erachtens) völlig disparaten Erzähl- und Zeichenformen vereinigen lassen - ich bin sehr gespannt - trotz aller Vorbehalte gegenüber Lemire, denn dieser Zauberlehrling hat mich immer wieder überrascht, warum sollte es hier anders sein.