Montag, 13. Februar 2023

passend zur Jahreszeit: 60 Lenze im Winter

Hier kommen mal wieder ein paar Zeilen zu einer Graphic Novel über alte Menschen. Mag ich persönlich ja immer ganz gern. Vielleicht auch, weil das Genre noch etwas unterrepräsentiert ist. Auch wenn die wenigsten ihrer Leser*innen selbst gerade ihren 60. Geburtstag feiern dürften.

Sechzigmal Frühling im Winter
(c) Splitter

Josy liest keine Comics, ist aber 60 geworden. Ihre Familie ist da, und will mit ihr feiern. Was sie jedoch nicht wissen: Josys Koffer ist bereits gepackt. Die eigens für sie gebackene Torte, schlumpfblau glasierte Torte wird sie nicht mehr kosten. 

Josy geht, sie verlässt ihren Mann und ihre Familie.

Erst im Laufe der Geschichte versteht man die hinter dieser Entscheidung liegenden Gründe – nicht zuletzt an dem nervig-übergriffigen Gebaren ihrer erwachsenen Kinder wird klar, das es an der Zeit war, einen solchen Schritt zu wagen. 

Josy steigt also in ihren alten VW-Bus und rollt los. In ihrem neuen Leben trifft sie Camelia, eine junge Frau mit einem Baby. Die beiden freunden sich schnell an und über Camelia wiederum hört sie vom BbÜ, dem Club der befreiten Übeltäterinnen – Damen mittleren Alters die allesamt ihre Männer verlassen haben. Sie wird herzlich aufgenommen.

Mit Christine, einer Schicksalsgenossin, versteht sich Josy von Anfang an bestens und die beiden treffen sich bald auch privat. Dort fängt es an, zwischen den beiden zu knistern – nach anfänglichem Zögern lässt sich Josy drauf ein und genießt ihr neues, unerwartetes Glück in vollen Zügen. 

Doch so leicht will es das Schicksal Josy nicht machen. Die Ereignisse überschlagen sich und sie beendet schweren Herzens ihre frische Beziehung. Und dann ... nimmt die Geschichte zwei sehr überraschende Wendungen, die hier aber nicht verraten werden sollen. 

Und beim Übersetzen? Erst mal alles schicki – dadurch, dass die Geschichte in der jetzt-Zeit angesiedelt ist und unter 'normalen Leuten' spielt, kommt ganz normale Alltagssprache zum Einsatz. Was ich jedoch herausfordernd fand, war Feinjustieren der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Figuren. Das im Französischen gebräuchliche 'Hamburger Sie', also Vorname + Sie ist ja im Deutschen alles andere als gebräuchlich. 

Also galt es z. B. für Josy und ihre neue Nachbarin Camelia (die ich gern in Camilla umgetauft hätte) den richtigen Moment zu finden, wo sie von Nachname + Sie (was sie im Original nie verwenden) zum Du zu wechseln. Oder die auch Fremden gegenüber ausfällig werdenden Beschimpfungen der erwachsenen Kinder von Josy ... nicht ohne. Aber ich bin mit dem Ergebnis zufrieden. Und wünsche Josy auf ihrem Weg ihre zweite Lebenshälfte viel Glück. ;-)