Dienstag, 16. Juli 2013

emails von JULES… heute: "Strangers in Paradise"

"Ich bin gestern von einem wildfremden Mädel geküsst worden! Also mitten auf den Mund- und so!"
Man merkte Kollege Schmidt deutlich an, dass er an diesem Eröffnungssatz in der Kaffeepause den ganzen Morgen gefeilt hatte. Hatte auch Wirkung dieser Satz, vor allem, wenn man Kollege Schmidtchen direkt vor sich sah. Die ersten Vermutungen gingen dann auch in Richtung
- "Wette verloren!"
- "Reality-TV!"
- "Amateur-Reality-TV!!"
- "YouTube-Bewerbungsvideo-für-Reality-TV-DOKU!"

Die Kollegen hatten Spaß. Nach ein paar Nachfragen stellte sich allerdings heraus, dass es sich wohl um eine Bachelorette-Party gehandelt hatte - einen neu-deutschen Junggesellinnenabschied. War zumindest in Berlin-Mitte aktuell große Mode: Die Braut und ihre besten Freundinnen trinken sich Mut an, ziehen im Rudel durch die Stadt und feixen über einige neckische Mutspielchen gerne in Kombination mit sexuellen Anzüglichkeiten und - (Überraschung!) Alkohol!

DAS Thema konnte der Senior aus dem IT-Support allerdings noch toppen. Mit einer Geschichte wie er letzten Samstagabend in der Notaufnahme - ("Nicht was ihr jetzt wieder denkt! Tetanusimpfung wegen Gartenarbeit") - also letzten Samstagabend in der Notaufnahme im Klinikum Berlin-Friedrichshain satte fünf Stunden auf einen Arzt warten musste…
…ABER nach vier Stunden davon tauchte ein Schwarm leicht übergewichtiger, sehr leicht bekleideter, etwa fünfzehnjähriger Mädels auf. Eines dieser Mädels (die einzige magersüchtige mit halbrasiertem Schädel und offensichtlich Queen B) hatte wohl die falschen Pillen eingeworfen - nach dem was man aus dem Geplapper so raushören konnte - und ihr Hofstaat hatte beschlossen, dass ein Besuch in der Notaufnahme wohl die konkret, korrekte Aktion sei.
Eltern waren nicht dabei. Und nichts über 18.
Dann begann eines der leicht übergewichtigen & leicht bekleideten Mädels zu tanzen. Zu "Schüttel deinen Speck". Aaaah - süßer, fetter Vogel Jugend! War das früher auch schon so?

Terry Moore
Strangers in Paradise 1


Schreiber & Leser
ISBN 9783943808155
Paperback | S/W | 344 Seiten
16,95 Euro
Um zum Punkt zu kommen:

"Strangers in Paradise" ist ein wunderschön gezeichneter Comic an dem einem sofort die üppigen und (teilweise) leichtbekleideten Heldinnen ins Auge fallen. (Ja, ja.. Ich bin chauvinistisch geprägt, über 18 und ich darf das!) Es handelt sich allerdings bei mindestens der Hälfte um eine toughe, emanzipierte, kampfbereite, adrenalingesteuerte Superfrau, so dass irgendwelche "Männerfantasie-Abziehbildchen" nicht so wirklich zum tragen kommen. (Es sei denn man würde die oben erwähnten Junggesellinnen-Events in freier Wildbahn auch als angenehme, wahrgewordene Männerfantasien bezeichnen. Sind sie nicht. Fragt mal Männer, die denen zum Opfer fielen. Fragt Kollegen Schmidtchen!)

Nach und nach kommen auch die dahinterliegenden Geschichten zum Vorschein. Nicht unbedingt lustig. Sind solche Geschichten ja meistens nicht.
Fragt mal nach warum Minderjährige unter Drogeneinfluss in der Notaufnahme landen - ohne erwachsene Bezugspersonen - aber mit einer zugekifften Freundin, die zu "Schüttel deinen Speck" tanzt! (An dieser Stelle fällt mir auf, dass ich den entsprechenden Liedtext wirklich nachschlagen sollte. Ist vielleicht wirklich harmlos!)

Das einzige was ein wenig stört an "Strangers in Paradise" ist die übermäßige Verwendung von Liedfetzten/texten/assoziationen (ratet mal woher der Titel stammt) die anscheinend in Amerika Allgemeingut sind. Aber leider nicht bei mir.

Aber das wird durch den Sog aufgefangen, den diese Geschichten entwickeln. In denen ganz viel schiefläuft & ganz viel aufgefangen wird durch Aktionen bei denen - wieder ganz viel schiefläuft … und das alles von sehr, sehr gut aussehenden (aber ein wenig tolpatschigen) Heldinnen gerettet wird. [Mindestens einen Quotenmann gibt es natürlich auch noch.]
Dieser Comic macht gute Laune!
In diesem Sinne: "Schüttel deinen Speck, Baby"!

Nachtrag:
- Liedtexte zum Samstagabend-Notaufname-Mix
- Lyrics zu "Strangers in Paradise"

euer JULES


eines unserer Schaufenster im Juni 2013