Mittwoch, 14. Oktober 2009

Rampokan - Java & Celebes (Avant-Verlag)


© Avant-Verlag (zum Vergrößern bitte anklicken)

Heute möchte euch der Flaneur wieder einmal einen Comic vorstellen, einen Comic, welcher die noch immer gebräuchliche Geringschätzung dieses Genres mit Lügen (und vergnüglicher Verachtung) straft.

Eine Bildergeschichte, welche durch ihre visuelle Eleganz und ihr hohes erzählerisches Niveau ganz neue Maßstäbe setzte, denn seit der Veröffentlichung sind nun einige Jahre ins Land gegangen, was die Qualität der beiden Bände jedoch nicht im Geringsten mindert.

Einige weitsichtigere Schreiberlinge des Feuilletons erhoben zwar hymnische Lobpreisungen, aber Rampokan war das nahezu klassische Kleinverlagsschicksal beschienen, ohne einen profunden Werbeetat konnte man die wohlwollende mediale Aufmerksamkeit nicht in (signifikante) bare Münze umsetzen.

Ein sehr bedauerlicher Aspekt, denn die beiden Ausgaben der deutschen Übersetzung wurden in einer visuell & haptisch äußerst ansprechenden Aufmachung herausgegeben, neben der griffigen Coverpappe überzeugt vor allem die attraktive Farbgestaltung des Comics.

Das verwendete Duotone-Verfahren, welche durch eine braune Schmuckfarbe ergänzt wurde, erweckt immer wieder diese „Sepiaassoziation“, welche uns bei digital bearbeiteten oder tatsächlich gealterten Fotografien ins Auge sticht. Und diese Besonderheit der Farbgebung gibt der Erzählungen einen ausgesprochen faszinierenden, warmen grafischen Anstrich.

Peter van Dongen erzählt mit eindrucksvollem psychologischen Geschick, brilliert durch seine perfekt recherchierte, historische Fakteninszenierung und entwirft mit seinem klassischen ligne claire-Strich einen grafischen Ausnahmeroman, welcher die historischen Rahmenbedingungen des antikolonialistischen indonesischen Freiheitskampfs (und eines weiteren dunklen Kapitels europäischer Geschichte) ausleuchtet.

Angesichts der ausgedehnten Entwicklungszeit der Serie - Dongen arbeitete sieben (Celebes) bzw. acht Jahre (Java) an den einzelnen Bänden und der persönlichen, biografischen Nähe (Dongons Mutter ist chinesisch-indonesischer Abstammung) – ist eine solche Präzision & Akkuratesse zwar erwartbar, aber dennoch stellt Rampokan eine Besonderheit dar.

Die Erzählweise lehnt sich zwar vordergründig an ein comic-konformes Narrativ an, bedient sich aber de facto zahlreicher literarischer Verfahren. Im Verlauf der Geschichte überdecken (und ergänzen) sich Bild und Text hierbei derart eindrucksvoll, dass es zu einer weitgehenden Verschmelzung der Medienzugänge Sehen und Lesen kommt.

Der - trotz aller Nähe zur ligne claire - assoziative Strich unterstreicht hierbei hervorragend die Schilderungen der traumatischen Erfahrungen des Protagonisten Johan Knevel und macht diese nochmals fassbarer und glaubwürdiger.

Um euch einen kleinen Einblick in die fesselnde Welt der van dongon’schen Bildsprache zu geben, habe ich die atemberaubenden, ersten Seite von Java dem Text vorangestellt. Alleine anhand dieser Bildkomposition wird deutlich, dass es sich hier nicht um einen konventionellen Abenteuercomic handelt.

Die doppelseitige Splashpage ist aber nicht nur hübsch anzuschauen, sondern verweist auch auf den elaborierten Erzählstil des Autors, bereits hier werden sieben biografische Stränge des Romanpersonals miteinander verwoben und vernetzt. Dieser Comic verdient zweifellos das Prädikat literarisch, welches in den letzten Jahren leider etwas inflationär gebraucht wurde.

Bezeichnend für die profunden Kenntnisse des Autors und dessen sorgfältige Recherchearbeit zu den indonesischen Gebräuchen ist auch, dass van Dongon, bereits in diesem Bild die vieldeutigen Tigerkäfige eingeführt, welche sich als in den verschiedensten Formen wiederkehrende Chiffren für den antikolonialen Kampf der Indonesier durch den gesamten Text ziehen werden.

Der symbolische Gehalt ihres Zerbrechens, wird sich aber dem Leser erst im Verlauf der raffiniert konzipierten Geschichte offenbaren. Jeder, der sich an einem kritisch erzählten historischen Sittengemälde oder einem scharfsinnig dargelegten psychologischen Prozess begeistern kann und auch jeder Leser, welcher sich von einer eigenständigen Bildsprache bezaubern lassen mag ist, wird bei diesem Titel nicht enttäuscht werden und spätestens beim Zuklappen des zweiten Teils anerkennen müssen, dass verschiedene Comicproduktionen den Vergleich (und die Konkurrenz) mit etablierten Erzählformen nicht mehr scheuen müssen.

Ihr findet hier (Rampokan - Java) & hier (Rampokan – Celebes) noch einige Leseproben dieses Meisterwerks und nun sucht euren örtlichen Comicfachhändler auf, denn ich mache es mal ungewohnt knapp: Tip!