Freitag, 28. Mai 2010

Andy Diggle & Jock - Losers #1 (Goliath) [Vertigo] ... Die schmutzigeren Geschichten, farbenfroh und blutig.


Vertigo hat sich in den letzten Jahre ja zu einer wahren Trendschmiede entwickelt und vorallem dem aktuellen politischen Comic eine neue Heimat zugewiesen, neben Wood (DMZ) & Vaughan (Ex Machina / Löwen von Bagdad) glänzt dort nun ein neuer Wilder mit seiner gesellschaftskritischen Bilderstürmerei - Andy Diggle.

Diggle, ein britischer Autor mit 2000 AD-Autorenadelung, hat auch schon bei "Hellblazer: Lady Constantine", "Daredevil" und "Thunderbolts" seinen unverkennbar eigenen Radierer geschwungen und nun wirft er einen sehr galligen, knallharten und selten ironischen Brocken von Verschwörungscomic auf den Markt - Losers, ein programmatischer Titel, wie sich noch zeigen wird.

Gemeinsam mit dem, sowohl illustrativ als auch atmosphärisch wirkungsmächtigen Jock (Mark Simpson), der einen weiteren sehr britischen Impuls bei Vertigo einbringt, erzählt Diggle von den schmutzigen Geheimoperationen von inoffiziellen Regierungskräften - ein Spezialkommando ohne diplomatische Rückdeckung für die blutige Drecksarbeit eben.

Was an Losers überzeugt, ist nicht die tausendfach ausgetestete Zugkraft von unentdeckten Verschwörungen und anderem konspirologischem Zierrat, sondern eben die Möglichkeit diesen Comic mindestens zweifach zu lesen.

Natürlich kann dies alles nur ein actionreiches Szenario für Knalls & Bumms sein, bei dem etliche Automobile, Flugzeuge & Werkhallen in Flammen aufgehen - aber gleichzeitig ist die Serie auch verdammt nah dran an der widerlichen Realität aktueller Geheimdienstaktionen, wie die Ankündigung der Ausweitungen der verdeckten Aktionen im sogenannten "Krieg gegen den Terror" eindrücklich beweist.

Es könnte also sein, dass wir einem begnadeten Storyboarder und seinem talentierten Mitzeichner über die Schultern schauen und eine exzellent erfundene Geschichte verfolgen können oder aber die grafische Umsetzung und gallige Kommentierung faktischer Politikstrategien. Egal wie man ihn lesen mag, eins bleibt bestehen - dieser Comic hat Qualität.

Dies hat man auch 2004 erkannt, als er als bester neuer Comic für den Eisneraward nominiert wurde. Inzwischen ist die fünfteilige Serie seit 2006 in den USA abgeschlossen und Panini bringt nun die deutsche Fassung auf den Markt. Die einen, immer am Puls der Zeit klebenden werden jetzt sagen - vintage! - ja, kann man, aber ich sage den anderen, hier kommt einen Serie auf euch zu, die ihr einfach lesen (und lieben - was fast unvermeidlich ist) müsst.

Losers handelt von einer Gruppe von staatlich gedrungenen Söldnern, natürlich ganz ohne aktuelle Kenntnisnahme durch eben diesen Staat, die im Auftrag von Ehre, Freiheit, Ruhm und Zaster die richtig schmutzigen Jobs erledigen. Unliebsame Personen in Flugzeuge verladen (und auch herauswerfen), in Ungnade gefallene Hurensöhne liquidieren, Dope schmuggeln - solche Dinge eben. Nun hat der Staat, der diese grenzwertigen militärischen Dienstleistungen in Anspruch nahm genug von seiner Gruppe fürs Grobe und kündigt deren Schutz auf.

Resultat: Die Söldner sind plötzlich die Verlierer - Losers eben und müssen sich ihrer Haut erwehren. Und nun kommt der Kniff & der spannende Drift an der Story, statt sich in klandestinen Verstecken zu verbuddeln und das Ende der Hetzjagd abzuwarten, drehen sie eben den Spiess um und attackieren den Staat auf seinem eigenen Territorium.

In Kombination mit der hochwertigen militärischen Ausbildung, dem Wissen um die neuralgischen Punkte der Landesverteidigung und die dunklen Kanäle der Schattenpolitik machen diese Attacken sie natürlich hochgefährlich.

Und so zerbomben sie hier und da ein paar Hangars, stehlen Hunderttausende von Dollars, die durch Drogengeschäfte (mit staatlicher Duldung) erwirtschaftet wurden und decken die ein oder andere großzügige Finanzhilfe für afrikanische Despoten auf ... alles nur um eine gleichberechtigte Verhandlungsposition mit dem Koordinator ihrer Jagd aufzubauen.

Losers lebt von seiner kompromisslosen, harten zynischen Note, nichts ist unmöglich in der Politik, solange es geheim bleibt. Es bleibt dem Leser überlassen seine Schlüsse zu ziehen, phantasievolle Actionbespassung oder scharfzüngige Militärkritik im Gewand eines Unterhaltungsmediums - egal wie ihr euch entscheidet, lieben werdet ihr Losers sowieso - Tip & Flaneurempfehlung!

Die abgeschlossene Reihe (Teil 1-5) findet ihr in unserer internationalen Abteilung in Mitte, den deutschen Erstling findet ihr in beiden Filialen für 16,95 Euro.