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Wie erkläre ich Kindern eigentlich diese Welt?
Bei sichtbaren Dingen hat man es recht komfortabel und man kann sich entspannt zurücklehnen und einfach drauf zeigen. Aber wie sieht es denn mit den abstrakten, den winzigkleinen, den riesiggroßen und den unsichtbaren Dingen dieser Welt aus? Da behilft man sich am besten mit quietschbunten Bildchen und leicht schrägen Vergleichen.
Ein Klassiker des Wissenstransfers von Erwachsenenmund zum Kinderohr wäre die hübsche kleine Geschichte von dem Bienchen Brumm und dem Blümchen Viola: Das Ergebnis der Paarung? Ziemlich delikater, klebriger, goldgelber Honig und ja, manchmal auch kleine, plärrende Zellhäufchen, die zu Geschwistern werden und mit lustigen Namen wie Charlotte, Ulf und Casimir versehen werden.
Ja, ich als aktiver Pädagoge gestehe: Manche Dinge sind in ihrer alltäglichen Beschaffenheit garnicht mal so leicht zu fassen und zu erklären. Natürlich kennen Kinder werdende Mamas mit kugelrunden Babybäuchen - aber was genau sind Blutkörperchen oder Dendriten, das Knochenmark oder die Fingergelenke?
Ich kann mich noch an einen erhellenden Moment meiner Kindheit erinnern, damals im letzten Jahrtausend. Da lief im Fernsehen eine sehr tolle Zeichentrickserie, von der ich keine einzige Folge verpassen wollte, weil sie mir beim Verständnis meines Inneren sehr geholfen hatte.
"Es war einmal das Leben" erklärte mir (ohne grosses pädagogisches Rumgewurste) wieso ein Pups eine solch erleichterende Sache war. Ja! Da war Gas in mir drin! Methan! Und dieses Gas wollte raus und ich musste akzeptieren, dass mein Körper solch absurden Sachen machte, wie Faulgas in mir drin zu speichern, um es mit einem lauten Rummsen raus in die weite Welt zu schicken. Verrückt!
Ich erinnere die Szene, diesen Aha-Moment bis heute so deutlich und klar, weil mir dieser witzige, kindgerechte, wissenschaftlich korrekte, aber gleichzeitig nicht zu abstrakte Erkläransatz so vieles veranschaulichte, was mir durch die wohlmeinenden, schrägen Erklärbilder der Bienchen/Blümchen-Vergleiche entgangen war.
Diese Menschen nannten Dinge beim Namen, der Pups hatte plötzlich nicht nur Sinn, Nutzen und Funktion, sondern auch einen total lustigen Namen - Flatulenz. Konnte ich als Kind natürlich nicht korrekt aussprechen, tat aber nix zur Sache - ich hatte einen komplexen Zusammenhang verstanden und ein neues, schönes Wort gabs noch gratis obendrauf.
Einen ähnlichen Zugang zum Körper wählt auch das Duo Dr. Dominic Walliman (Text) & Ben Newman (Illustrationen), wer von beiden nun Bienchen und Blümchen ist kann ich nicht bestimmen - was ich aber mit Bestimmtheit sagen kann ist, dass diese beiden Erklärbären auch in ihrem dritten Band, rund um den umtriebigen Professor Astrokatz, einmal mehr beweisen, dass sie ein perfekt eingespieltes Team sind.
Der irrwitzige, cartoonige, niemals zu ernsthafte Illustrationstil von Newman spielt elegant mit Farben & Formen, verlässt aber nie die wissenschaftliche Ebene, was sehr gut zu den Texten Wallimans passt, die stets forschungsfundiert, aber nie staubig und trocken sind. Dieses Bild zeigt sehr gut, wie die beiden arbeiten.
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Das formschöne, fast quadratische Hardcover mit dem dicken, schweren
Pappseiten hat einen sehr starken Aufforderungscharakter, was bei allen
Kindern, denen ich das Buch bisher vorstellte, verflucht gut
ankam, selten blieb es bei zwei Seiten aus dem Buch.
Die geistigen Väter von Professor Astrokatz haben schon in den
Vorgängerbänden "Universum ohne Grenzen" und "Physik ohne Grenzen" das
Weltall und die physikalische Welt bereist, aber mir persönlich gefällt
ihre aktuelle Reise am besten, da gerade die kindlichen Fragen rund um
unsere Körperfunktionen garnicht mal so leicht zu beantworten sind, auch
wenn wir dieses Universum tagtäglich unter unserer Haut durch diese
Welt tragen. Ich erwischte mich mehr als einmal dabei selbst in die Bienchen/Blümchen-Falle zu treten, statt wissenschaftlich korrekt auf Fragen zu antworten.
Es
ist immer wieder erstaunlich zu sehen, welch kreativen Erklärungen
Kinder für das Schmerzempfinden, das Gleichgewicht oder den Sehsinn
anführen, aber oftmals sind die wissenschaftlichen Erklärungen nicht
weniger verrückt! Wir sehen alles, was wir sehen erst einmal auf dem
Kopf, das Wasser in unserem Innenohr hält uns aufrecht, Knochen sind
fünfmal strärker als Stahl, aber viel leichter & beim Gähnen bewegt
man mehr Muskeln als bei einem energischen Workout!
Aus pädagogischer Sicht kann ich diese Reihe nicht genug preisen und lobend besingen, die Motivwahl, die Farben, alle visuelle Reize sind perfekt geeignet um die Kinder fesselnd zu unterhalten, die Erzählungen rund um den weit gereisten Kater sind witzig, verzichten auf allzu starke Vereinfachungen und sind trotzdem komplex genug um selbst dem wissenshungrigsten Kind ein sattes Mahl zu bereiten. Von meiner Seite klare Empfehlung für angehende Schulkinder, die auch noch in den Folgejahren liebend gerne nach diesem Buch greifen werden - insbesondere dann, wenn sie diese lästigen Erwachsenen nicht mehr zum Vorlesen brauchen!